Kurzfassung: Wissenschaftliche Politikberatung.
Teil I: Methodologie empirischer und praktischer Wissenschaften
Ausgangspunkte: Verwissenschaftlichung und methodologischer Reduktionismus
Spätestens seit dem 20. Jahrhundert ist eine Verwissenschaftlichung
aller Lebensbereiche inklusive der Politik eingetreten, die durch eine hohe
Dichte und Ubiquität wissenschaftlicher
und pseudowissenschaftlicher Ergebnisse gekennzeichnet ist.
Gefährlicher als einzelne Propheten im Wissenschaftsgewand sind Strukturprobleme. Im Mainstream der Wissenschaften dominiert ein methodologischer, insbesondere kausaler Reduktionismus. Damit bestimmt in der Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts ein Laplacescher Dämon mittels entscheidungstheoretischer Algorithmen
Politik und Wirtschaft.
Das "Bacon-Projekt" (Lothar Schäfer) bildet den Kern der heute dominierenden "Leonardo-Welt" (Jürgen Mittelstraß), dessen roter Faden oft die Suche des modernen Wissenschaftlers nach einem archimedischen Punkt, nach dem "was die Welt im innersten zusammenhält" (Johann Wolfgang von Goethe) ausmacht.
Partizipative Wissenschaftsmethodologie und die zehn methodologischen Ebenen
Partizipative Wissenschaftsmethodologie bedeutet, dass innerhalb einer Einzelwissenschaft an konkreten Themen methodologische Einsichten erarbeitet werden. Diese methodologischen Erörterungen
entstanden am Beispiel der Politikwissenschaft (vgl.
Wissenschaftliche Politikberatung. Teil II: Methodologie praktischer Politikwissenschaft). Das Politikfeld "Soziale Sicherheit" wurde modellhaft mit den wissenschaftlichen Werkzeugen einer praktischen Politikwissenschaft untersucht (vgl.
Die Potentiale des deutschen Sozialmodells. Vorschläge für eine konsistente und komplementäre Weiterentwicklung).
Die Methodologie spielt eine zentrale Rolle, wenn es
darum geht, zwischen Wissen (Wissenschaft) auf der einen und Pseudowissen (Pseudowissenschaft) auf der anderen Seite zu unterscheiden.
Mit einem Abgrenzungskriterium allein kann diese Unterscheidung nicht
herausgearbeitet werden. Für eine Evaluation oder eine Rechtfertigung
von Wissen bedarf es allgemeiner und spezieller Kriterien auf zehn methodologischen Ebenen. Dies gilt auch für eine Politikberatung, die den Anspruch auf Wissenschaftlichkeit für sich reklamiert. Methodologischer Reduktionismus versus methodologischer Pluralismus
Insbesondere empirisch orientierte Wissenschaftler
arbeiten mit einem methodologischen Reduktionismus (wissenschaftstheoretischen Neoplatonismus) und meinen, dass praktische Probleme mit einer empirischen Methodologie innerhalb von
angewandten Wissenschaften
(neudeutsch
applied sciences)
gelöst werden können. Den Kern bildet ein kausaler Reduktionismus, der insbesondere auf einer Äquivalenz
zwischen Kausalität und Handlung (Francis Bacon) basiert, sowie "Umkehrungen von
Kausalsätzen" (Max Weber) bzw. eine "Umkehrung des fundamentalen
Erklärungsschemas" (Karl Raimund Popper) annimmt. Weder die Äquivalenz zwischen Kausalität und Handlung noch die Umkehrungen von Kausalsätzen wurden wissenschaftlich begründet.
Praktische statt angewandte Wissenschaften
Wissenschaftstheoretische
Argumente gegen diese Annahmen sowie die Existenz von praktisch-wissenschaftlichen Werkzeugen zeigen erstens die Notwendigkeit und zweitens die Möglichkeit eines genuin
praktischen Diskurses sowie praktischer Wissenschaften. Die Vorzüge eines umfassenderen nicht nur methodischen sondern methodologischen Pluralismus (wissenschaftstheoretischen Neoaristotelismus) sollen erläutert, expliziert, präzisiert, rekonstruiert oder weiterentwickelt werden. Nur praktische Wissenschaften, sofern sie die Methodologie einer anderen wissenschaftstheoretischen Tradition verwenden und nicht angewandte Wissenschaften können derzeitigen logisch-analytischen
Argumentationsstandards genügen.
Komplementarität zwischen empirischem und praktischem Wissen sowie empirischen und praktischen Wissenschaften
Zwischen empirischem und praktischem Wissen sowie empirischen und praktischen Wissenschaften werden mit Hilfe von unterschiedlichen
Werkzeugtypen prinzipielle Unterschiede begründet, erläutert,
expliziert, präzisiert, rekonstruiert oder weiterentwickelt. Empirische
(deskriptive, explanative oder prognostische) Wissenschaften und praktische
(normative, pragmatische oder technische) Wissenschaften verhalten sich komplementär zueinander. Es handelt sich um unterschiedliche "Formen von Rationalität" (Otfried Höffe).
Zielgruppen: Diese Untersuchung richtet sich sowohl an Produzenten als auch an Konsumenten von rationalem Wissen und damit an mehrere Zielgruppen:
- Wissenschaftler, die wissenschaftliche Analysen und
Gutachten insbesondere in der Politikberatung anfertigen sowie
wissenschaftliche Untersuchungen evaluieren wollen, und
- Praktiker (autonom handelnde Personen z.B. Bürger, Politiker und
Unternehmer sowie Technokraten z.B. Beamte, Manager, Verwalter), die
wissenschaftliche Expertisen evaluieren, umsetzen oder sich
dagegen wehren wollen oder müssen.
Transienter und linearer Text: Diese Seiten bilden die Webversion eines in Vorbereitung befindlichen Buches: Wissenschaftliche Politikberatung 1. Methodologie praktischer Wissenschaften (vgl. Inhaltsverzeichnis). Der Hypertext, transienter Text, erleichtert
dem Leser das Navigieren innerhalb des Textes sowie die Evaluation und damit das Verständnis vor allem von komplexen Relationen und Zusammenhängen. Eine lineare Version im PDF-Format gibt es hier:
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